Das Muharraq Kloster, ein Wallfahrtsort für die Äthiopier
Abessinien -auch Kush genannt- war historisch eine angesehene Nation in der alten Welt, die nicht zu unterschätzen war. Nach alten abessinischen Überlieferungen erfuhr die Königin von Saba, die den Jemen und Abessinien regierte, von der Weisheit Solomons und ging zu ihn, um mehr über ihn zu erfahren. Sie war über seine überlegene Weisheit erstaunt und konvertierte zum Judentum. Sie verbreitete die Religion in ihrem Land, nachdem König Solomon sie heiratete und sie Menelik (Sohn des Weisen) gebar.
Die älteste Schrift über die Annahme der Abessinier des Christentums ist die Apostelgeschichte, in deren Kapitel 8 der Engel des Herrn zu Philippus sagte, er solle auf die Straße gehen, die von Jerusalem nach Gaza führt, um den abessinischen Eunuchen, den Minister von Candace, Königin von Abessinien, zu treffen und ihm die Botschaft des Himmelsreichs zu vermitteln und ihn zu taufen.
Apostel Matthäus war der erste Missionar, der in Abessinien das Christentum lehrte. Das Christentum verbreitete sich aber erst nachdem der 20. Papst von Alexandria, Heiliger Athanasius (326-373 n. Chr.), den ersten Bischof von Abessinien, Fermentus ordinierte (die Abessinier nannten ihn Anba Salama). Abessinien wurde eine Diözese des alexandrinischen Stuhls. Die Abessinier nahmen das Christentum in Liebe, Glauben und einer erstaunlichen spirituellen Tiefe an.
Die Abessinier liebten und verehrten die Orte in Palästina und Ägypten, an denen Jesus Christus lebte. Qosqam war für die Abessinier von der Bedeutung her der zweite Pilgerort nach Jerusalem. Während sich das Christentum in Äthiopien weit verbreitete, fühlten sich viele bewogen, ihre Länder zu verlassen und zu diesen Orten umzusiedeln, um ein neues Leben der Askese und des klösterlichen Mönchtums zu führen.
Geschichtliche Hinweise deuten darauf hin, dass äthiopische Mönche bereits Ende des vierten Jahrhunderts im Gebiet Qosqam lebten. Das Kloster und die alte Kirche hatten für sie eine große Bedeutung. Worte können nicht beschreiben, wie sehr sie das Kloster heiligten und verehrten. Sogar der Sand im Kloster war für sie eine Segensquelle, nur weil das Kind Jesus Christus ihn betrat. In ihren Erzählungen und Manuskripten, die sie in den Klöstern aufbewahren, sind zahlreiche Wunder niedergeschrieben, die Heilige Jungfrau Maria im Kloster Qosqam vollbrachte.
Der Wissenschaftler C. Counti Rossini stellte im frühen 20. Jahrhundert bei seiner Forschung in den alten äthiopischen Schriften und Manuskripten fest, dass im Qosqam Kloster im 14. und 15. Jahrhundert eine aktive und vitale äthiopische Klostergemeinschaft bestehend aus etwa 30 Mönchen, Priester und Diakone lebte. Diese abessinische Gemeinschaft war so bekannt, dass der abessinische König Sayfa Arad ihnen ein Exemplar der Evangelien schenkte. In der Kirchengeschichte ist bekannt, dass Arsanius (oder Archilides) der Abessinier der Mönch des Klosters Qosqam war, der während der Tage von Papst Matthias dem Großen (1378-1408) den Märtyrertod erlitt.
Die Kaiserin von Äthiopien, Königin Mentowab (Wortbedeutung: schön oder wunderbar), die ihre Herrschaft an ihren Sohn Iyasu II (Übersetzt: Jesus) (1730 – 1755 n. Chr.) abtrat, besuchte das Kloster Qosqam im 18. Jahrhundert. Sie nahm von dem Klostersand eine Menge mit zurück in ihr Land und ließ den Sand mit den Baumaterialien mischen, die für den Bau einer großen Kirche (Qosqamberg Kirche) in der äthiopischen Stadt Qosqam (eine bedeutende Stadt in der Region Gondar) verwendet wurden. Ihr Sohn Iyasu II. baute die Kirche im Jahr 1738 n. Chr. Seither führte die abessinische Kirche das vierzig-tägige ‚Qosqam Fasten‘ ein. (beginnt am 26. Tout und endet am 5. Hatour, Vorabend der Einweihung der Jungfrau Maria Kirche im Muharraq Kloster).
Als die Zahl der äthiopischen Mönche im Qosqam Kloster zunahm, bauten sie ihre eigene Kirche, um die Gebete in der eigenen Sprache zu verrichten. Die älteste äthiopische Kirche, ‚Johannes-der-Täufer-Kirche‘, stand neben der Jungfrau Maria Kirche. Später, bei der Erweiterung und dem Ausbau der Klosterkirche im 19. Jahrhundert, wurde die ‚Johannes-der-Täufer-Kirche‘ versetzt und auf die Vestibüle der alten Klosterkirche aufgesetzt. Damals erreichte die Zahl der äthiopischen Mönche vierzig. Jedoch wurde diese obere Kirche in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Schutz des Baus der alten Kirche abgerissen.
Als der Weg nach Qosqam, den die äthiopischen Mönche zu Fuß und mit Getier ablegen, durch den äthiopisch-italienischen Krieg (1936-1948 n. Chr.) und wegen der Unruhen und Streitigkeiten im Süd-Sudan beschwerlich wurde, reduzierte sich die Zahl der Mönche im Kloster Qosqam immer mehr. Die äthiopischen Geistlichen erinnern sich noch daran, dass die meisten ihrer Metropoliten von ihrer koptischen Mutterkirche aus den Mönchen des Qosqam-Klosters gewählt und nach Äthiopien delegiert wurden. Das Kloster, dass die Äthiopier liebten und weiterhin lieben, hat für sie nach wie vor eine große Bedeutung.