Es besteht kein Zweifel, dass die Jungfrau Maria Kirche im Gabal Al-Tayr Kloster in Samalout ein heiliger Ort und eine wichtige Reisestation der Heiligen Familie in Ägypten ist. Nach der Abu Serga Kirche in Alt-Kairo und dem Muharraq-Kloster auf dem Qusqam Berg in Assiut gilt die Kirche als eines der wichtigsten koptischen Denkmäler. Sie steht auf dem Hügel am Ostufer des Nils im Bezirk Samalout im Gouvernorat Minya.
Die meisten Reisenden und Historiker, die die Reise der Heilige Familie durch Ägypten behandelten, berichteten in ihren Schriften und Manuskripten über deren Besuch des Ortes Gabal Al-Tayr, darunter Al-Shabashti im 10., Abu Al-Makarim im 12. und Al-Maqrizi im 15. Jahrhundert.
Beschreibung der Kirche
Die Kirche war ursprünglich ein römischer Tempel mit einem Eingang von der Ostseite. Dies stellte der Architekturhistoriker Robert Curzon in seinem Buch ‚Besuche in Klöstern‘ fest. Die im Felsen gehauene Stufen, die zum römischen Tempel führten, wurden 2016 entdeckt.
In ihrer Suche nach einem Ort zum Übernachten sah die Heilige Familie die hinauf-steigenden Stufen zur unbewohnten Höhle. Sie bewohnte die Höhle drei Tage.
Drei Jahrhunderte nach dem Besuch der Heiligen Familie wurde der römische Tempel im Jahr 328 n. Chr. im Auftrag von Kaiser Konstantins Mutter, Kaiserin Helena in eine Kirche umgewandelt. Sie selbst kam nicht nach Ägypten. In diesem Umnutzungsakt wurden Felswände und Säulen umgeformt und andere bauliche Elemente hinzugefügt, um den sakralen Raum dem christlichen Ritus anzupassen.
Der Standort der Kirche ist auf einem hohen Hügel an der Westseite des Gabal Al-Tayr Dorfes, neben den koptischen Friedhöfen. Die im Stein gehauene Kirche hat einen basilikalen Grundriss. Das Mittelschiff ist umgeben von zehn zwölf im Felsen gehauenen verzierten Säulen, die die Nord-, Süd- und West-Seitenschiffe abgrenzen. Der Altar in der Mitte ist der Jungfrau Maria gewidmet. Auf der Nordseite ist ein Altar im Namen der Märtyrerin Demiana. Beide Altäre sind durch einen kleinen Durchgang miteinander verbunden. Der Zugang zur Höhle, in der die Heilige Familie verweilte, ist südlich des mittleren Altars im Felsen gehauen.
Der ursprüngliche Eingang zur Gabal Al-Tayr-Kirche war oberhalb der Höhle neben dem Hauptaltar, an der Stelle, wo die Heilige Familie übernachtete. Die Besucher gelangten hoch zur Kirche mithilfe eines Aufzugs. Nach dem Flaschenzugprinzip zogen die Männer im Kloster die auf einer Holzplatte stehenden Besucher an einem Seil, das um eine Spule gewickelt war. Daher kommt der Name Deir Al-Bakrah (Spulenkloster). Im frühen 16. Jahrhundert wurden anstelle der Aufzugs 166 Stufen zum Aufstieg zum Kloster in den Hügel eingehauen.
Vor 1928 hatte die Kirche zwei Eingänge, einen auf der West- und einen auf der Nordseite. Der Nordeingang wurde geschlossen, als eine Taufkapelle davor gebaut wurde.
Vor dem westlichen Eingang gibt es ein kreisförmiges Becken, das mit antiken eingravierten Steinen beschmückt ist, u.a. mit Abbildungen von Jesus Christus und den Aposteln sowie Motiven von Weinreben und Fischen. Der Schrein in der Kirche wurde von den Byzantinern mit wunderbaren und prachtvollen Motiven beschmückt.
Im Kloster ist eine Tür aus Stein aus dem 5. oder 6. Jahrhundert n. Chr., auf der Dekorationen in Form von Fischen, Pflanzenblättern, Zeichnungen von Heiligen und geometrischen Dekorationen gemeißelt sind.
In der Kirche sind drei alte von Anastasi Al-Qudsi Al-Rumi im Jahr 1554 (Heiligenkalender) gemalte Ikonen; eine von der Jungfrau Maria, eine von der Märtyrerin Demiana und eine dritte vom Märtyrer Georg.
Der Metropolit von Minya und Al-Ashmunein, Anba Thomas veranlasste 1924 die Erweiterung der Kirche mit einigen architektonischen Elementen. Die Ausbauarbeiten dauerten bis in die Zeit des nachfolgenden Metropoliten Severus, d.h. bis zum Jahr 1938. Die ergänzten Elemente sind Vestibüle vor dem West- und Südeingang, eine obere Ebene mit zwei kleinen Altären, Decken aus Beton und weitere Überdachungen mit Kuppeln, Gewölbe und Renovierung des Leuchtturms.
Zudem wurde die Klosteranlage während der Zeit von Anba Severus, Metropolit von Minya und Al-Ashmunein im Jahr 1938 n. Chr. renoviert.
Die alte Taufkapelle ist in der zweiten der riesigen Säulen in der Westseite des Kirchenschiffs eingehauen. Aufgrund der großen Anzahl von wurde das Taufwasser zu einer Gefahrenquelle für die Stabilität der Kalksteinsäule. Der Bischof von Samalout, Anba Bevnotious, beschloss das Sakrament der Taufe nicht mehr im alten Taufbecken zu feiern und errichtete eine neue Taufkapelle an der Nordseite im nördlichen Seitenschiffs, die ebenfalls 1980 nicht mehr zur Verwendung kam, als im Anbau der Kirche sieben Taufbecken gebaut wurden.
Neue Restaurierung der Jungfrau Maria Kirche
Seit mehr als vierzig Jahren stehen die Erneuerung des Kirchenbaus und die Entwicklung dessen Umfeld im Mittelpunkt der Bemühungen und Trägerschaft der Diözese Samalout unter der Leitung von Anba Bevnotious. Namhafte Ingenieurbüros beteiligen sich am Projekt, wie der Experte für koptische Architektur, Prof. Dr. Samy Sabry Shaker, der Statiker Prof. Dr. Ing. Adel Farid und Dr. Hany Sobhy, Berater für Gebäudetechnik.
Die Restaurierungsarbeiten, unter der Aufsicht des Ständigen Komitees für islamische und koptische Denkmäler, begannen im Sommer 2018 nach vielen vorgegangenen Studien und Forschungen der archäologischen und baulichen Verhältnisse, der Umgebung und anderer beeinflussenden Faktoren. Die Betondecken wurden durch Holzbalkendecken ersetzt. Die Höhle wurde restauriert, die zweite Ebene mit einer Holzdecke versehen. Das Westschiff, die Altäre, der Leuchtturm sowie die nördlichen und östlichen Außenmauern wurden restauriert, bzw. stabilisiert und renoviert.
Gestaltung des Außenraums und des Anfahrtsweges
Im Rahmen des staatlichen Plans zur touristischen Entwicklung der Stationen auf dem Reiseweg der Heiligen Familie wurde der 500 m lange Weg, der zur alten Kirche führt, mit Basalt bepflastert. Die Fassaden der um- und anliegenden Häuser und Gräber wurden angestrichen. Eine Mauer wurde gebaut, die den Anblick der Gräber verdeckt und die Reise der Heiligen Familie mit anschaulichen Reliefgravuren darstellt. Für den Empfang der Ehrengäste wurde ein spezieller Empfangsraum gebaut. Die Einfahrt von der Regionalstraße zu Deir Gabal Al-Tayr erhielt ein Tor und Hinweisschilder.
Referenzen
- ‚Die Flucht der Heiligen Familie von Bethlehem nach Ägypten und zurück‘
– Autor: Mönch Philloppos Anba Bishoy
- Broschüre der koptisch-orthodoxen Diözese Maghagha und Al-Adwa
– Autor: Erzpriester Shenouda Gerges
- ‚Reise der Heiligen Familie nach Ägypten und in das Gebiet von Alt-Kairo‘
– Herausgeber: St. Georg Nonnenkloster / Alt-Kairo